|
Wer kennt sie nicht, die alljährliche Quersumme der grauen
Wintersaison: fahler Teint, die letzte Lachfalte von Schneematsch und spröder
Heizungsluft ins Exil verbannt. Eine klare Abseitsfalle, wenn man so will.
Warum also nicht dem Lauf der Dinge etwas vorgreifen und die reiche
Farbpalette und Blütenpracht des südlichen Mittelmeeres aufsaugen? Kennwort
Sizilien!
Blüte auf Sizilien
Als "Königin der Inseln" und "Land von
unsagbarer Schönheit" beschrieb Goethe auf seiner italienischen Reise
1787 das sizilianische Eiland, das er atemlos und zu Pferd durchquerte.
Begierde, Begeisterung und Lobeshymnen, wohin der Blick auch schweift. Was
sollte einen da noch lange abhalten, das nächste Flugzeug abzugreifen und die
vertrauten Wollsocken dem Speicherabteil zu überlassen? Etwa das alte
Gespenst der mafiosen Lebenskultur? Das fehlte nach dem Winter-Blues gerade
noch. Zugegeben, gleich nach dem Verlassen des Flugzeugs in Palermo blitzen
für Sekunden die Gedanken an die ehrenwerten Herren, dunkel gekleidet, mit
Sonnenbrille und Schalldämpfer auf. Doch umsonst, kein Kugelhagel, keine
Liquidation auf dem Rollfeld. Dafür pralle Sonne und sattes Leben in vollem
Fluss.
|
Anders als im weitgehend griechisch geprägten Osten trägt
der westliche Teil Siziliens unverkennbar die Handschrift des schwarzen Kontinents,
der keine 150 Kilometer entfernt ist. Einen Hauch von Afrika verspricht schon
der heiße Wüstenwind Schirokko, aber auch Dialekt, Speisen wie Couscous und
die Gesichter der Menschen gehen eindeutig auf arabische Wurzeln zurück.
Neben all den kulturellen Glanzlichtern und Schätzen, über die man ohnehin
fast überall stolpert, dürfte die Insel gerade für Weinliebhaber höchst
reizvoll aufblühen.
Die Provinz Trapani im Westen stellt das größte
zusammenhängende Weinanbaugebiet Italiens dar. Von hier aus gelangen jährlich
tonnenweise Reben in andere Regionen, etwa das Piemont und die Toskana. Im
honorigen Gambero Rosso, der italienischen Weinfibel, erhalten sizilianische
Winzer mittlerweile jährlich höchste Lorbeeren.
Zwar hatten die hiesigen Weinbauern schon in der Antike
berauschende Tropfen gekeltert, doch zu internationaler Geltung verhalfen
letztlich erst die Briten, deren portugiesische Portweinquellen notgedrungen
zugunsten Napoleon Bonapartes flötengegangen waren. Und so kam es, daß John
Woodhouse, ein Angelsachse und Pionier wie aus dem Lehrbuch, gegen Ende des
18. Jahrhunderts den berühmten Marsala in der gleichnamigen Stadt erfand.
Seitdem kommt von dort ein teils süßer, teils trockener Exportschlager für
die ganze Welt. Rund drei Viertel der Rebfläche auf meist vulkanischen Böden
sind mit weißen Sorten bestockt, etwa Catarratto, Grillo oder Inzolia. Für
mehr Aufsehen und Absatz sorgen jedoch die hochklassigen, roten Reben,
besonders die heimische Nero d'Avola. Deren gehaltvolle Rotweine, zumeist
mild in der Säure und stark in der Würze, sind inzwischen gefragter als je
zuvor. Unter den herausragenden Kellereien sind Donnafugata, Planeta,
Morgante und Cusumano eine Verkostung wert.
Doch sollten bei aller Weinseligkeit nicht die übrigen Perlen
am Wegesrand übersehen werden. Als da wären: Zum einen Segesta, das
vielleicht schönste und imposanteste antike Heiligtum der Insel. Eine
dorische, mit 36 Säulen gestaffelte Tempelanlage aus den Jahren 430 bis 413
vor Christus, einst errichtet von den Elmyrern, dennoch nie vollendet. Die
Gründe hierfür verlieren sich im Nebel der Geschichte.
Zum anderen lohnen die Salinen von Trapani wohl einen
Abstecher, denn hier laden das in zahllosen, kleinen Bergen aufgetürmte
"weiße Gold" und alte Windmühlen zum Staunen ein. Gegen Abend, wenn
die Sonne wie ein praller Kürbis über den leicht gekräuselten Wellenkämmen am
Horizont abtaucht und die Mühlen wie Scherenschnitte scheinen, entfaltet das
Schauspiel seine ganze strahlende Wucht.
|